Das neue Buch von Raimund Seidl

"Die Regenbogenbrücke muss noch warten"

 

Subskriptiónspreis 10,- Euro (inkl. Porto)

bis 31. 10. 2021

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Es war dem Zufall geschuldet, dass sie sich nach 50 Jahren wieder trafen. Sie, die kleine Naturschönheit aus der Marktstraße, die alle nur Hanne nannten. Er, der mit ihrem Bruder Haser die Knabenschule in der Laeiszstraße besuchte und nur Raimi genannt werden wollte. Mit seinem richtigen Namen

- Raimund - wäre er in der Laeiszstraße oder Marktstraße, die zum Stadtteil St. Pauli gehören, unangenehm aufgefallen, glaubte er zu wissen. Raimis Eltern konnten sich gegen diese Einschulung nicht wehren. 1952 waren viele Schulen,  die im Zweiten Weltkrieg zerstört wurden, noch nicht wieder aufgebaut.  Seine Zuweisung in die Knabenschule Laeiszstraße erfolgte deshalb über die Behörde. Auch wenn diese Gegend als unfein galt und viele Hamburger, die in anderen Stadtteilen wohnten, verächtlich vom „Tal der Gesetzlosen“ sprachen, war die Marktstraße Hannes Welt. Da konnte die Bundesstraße, in der Raimi wohnte, nicht mithalten, da wohnen nur vornehme Pinkel, war die einhellige Meinung der Marktstraßenbewohner.  Raimi lernte, zum Entsetzen seiner Mutter, den Slang der Marktstraße und war seitdem bei seinen Schulkumpels einer von ihnen.

 

Als Erwachsene verloren sie sich aus den Augen, Hanne hatte sich in einen Mann verliebt und favorisierte die Gründung einer Familie, Raimi war Rock´n´Roll-Musiker mit eigener Band und träumte von einer Weltkarriere.

Durch einen Zufall hörten sie über das Internet-Forum „Stay Friends“ voneinander. Nach regem Schreiben von Briefen und E- Mails wollten sie sich endlich wiedersehen. Hannes Antwort auf seine letzte Mail stimmte ihn traurig:

„Lieber Raimi, ich wohne seit wenigen Tagen im Hospiz Helenenstift. Über Deinen Besuch würde ich mich sehr freuen. Herzliche Grüße Deine Hanne“

 

„Meine liebe Hanne, gerne werde ich Dich besuchen, wann darf ich zu Dir kommen?“ schrieb er zurück.

Drei Tage später saß er auf einem Stuhl neben ihrem Bett im Hamburger Hospiz Helenenstift. Sie umarmten sich, er gab ihr einen Kuss auf die Wange. 50 Jahre hatten sie sich nicht gesehen.

 

Sie sprachen über ihre Familien, die Marktstraße, die Schule in der Laeiszstraße, St. Pauli, den Hamburger Hafen, den Hamburger Dom, über Hannes geliebten Bruder Haser - der viel zu früh die Welt verlassen musste. Sie unterhielten sich über Gott und die Welt.

 

Mit dem Erscheinen der Physiotherapeutin war Raimis Besuchszeit nach drei Stunden beendet. Er sah Hanne lächelnd an, gab ihr einen Kuss auf die Wange und streichelte ihre Hände.Wie eine schwerkranke Frau sah seine Jugendfreundin nicht aus, aber es wird schon stimmen, sonst wäre sie nicht hier, im Hospiz Helenenstift, überlegte er beim Verlassen ihres Zimmers.

 

Eine Woche später saß er wieder an ihrer Seite. Es gab noch so viel zu erzählen über den Star-Club, über die Beatles - die in diesem Club ihre Weltkarriere starteten -, über Raimis erfolgreiche Rock - and Beatband The RIVETS.

 

Weil der Gesprächsstoff einfach nicht ausging, trafen sie sich dann jede Woche im Hospiz Helenenstift - 2. Etage, Zimmer 311 -. Hannes Wohnzimmer. Wie in einem Krankenzimmer sah es bei ihr nämlich nicht aus. Hanne war wissbegierig. Über die goldenen 60er Jahre in Hamburg konnte sie gar nicht genug hören und erzählen.

 

„Raimi, es war unsere Zeit.“ „Ja meine Hanne, die goldenen 60er Jahre kann uns keiner nehmen.“

 

Wenn sie über ihre geliebte Marktstraße sprach, war beiden so, als wäre die Zeit stehengeblieben. Selbst Freddy Quinn, ein großer deutscher Schlagerstar in den 50er- und 60er Jahren, hatte eine besondere Beziehung zur Marktstraße.

 

Hanne war sich über ihre Lage im Klaren. Die Entscheidung, die letzten Tage, Wochen oder Monate ihres Lebens im Hospiz Helenenstift zu verbringen, traf sie wohlüberlegt, aus freien Stücken. Dank eines wunderbareren, hochqualifizierten Ärzte- und Pflegeteams lebte sie dort weitestgehend beschwerdefrei. Jeder realistische Wunsch wurde ihr erfüllt. Ihre Familie und die vielen Freunde besuchten sie, zu ihrer großen Freude, regelmäßig. Wobei ihre drei Kinder Nicole, Martin und Peter fast jeden Tag am Bett der Mutter saßen.

 

„Raimi, schreibe bitte ein Buch über unsere vielen Gespräche. Bitte, bitte …“

 

Und so kam es, dass Raimi ein Buch über die vielen Geschichten, die sie sich im Hospiz erzählten, schrieb. Er mochte nicht darüber sprechen, sie schnitt das Thema hin und wieder an. Ihre Restlebenszeit war limitiert.

„Erzähle die Geschichten bitte zu Ende, lieber Raimi,

 

die Regenbogenbrücke muss noch warten!“